15.09.16

 

Lenzerheide und Alter Schyn / Alter Schin

 

Um 07:00 Uhr klingelte der Wecker, wir wollten heute nach Lenzerheide und von dort aus den ''Alten Schin'' laufen. Ich kannte diesen Weg bereits aus Kindertagen, ebenso das Hochtal und freute mich darauf, dies alles wieder zu sehen.

Heute war es nicht ganz so hektisch, dennoch beeilen wir uns mit dem Kaffee kochen, tranken dann schnell eine Tasse und marschierten dann zum Bahnhof, von wo aus wir zuerst mit dem Zug nach Tiefencastel fahren, und dann dort in den Postbus Richtung Chur umsteigen mußten. 

In Thusis hatten wir erst einmal eine kurze Wartezeit, bis der Zug kam. Per Lautsprecher wurde durchgesagt, daß spezielle Orte am Bahnsteig und auch im Zug für ''angemeldete Reisegruppen'' reserviert seien und wir amüsierten uns noch darüber, doch gleich darauf stürmte eine Horde Rentner den Bahnsteig und begab sich zur angegeben Position. Fast zeitgleich fuhr auch der Zug ein und wir stiegen ein.

Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert über die Pünktlichkeit den Schweizer öffentlichen Verkehrsmittel und den reibungslosen Ablauf an den einzelnen Knotenpunkten. Der gesamte Transport mit Bus und Bahn ist ein sehr ausgeklügeltes System, von dem sich die Deutsche Bahn mindestens die Hälfte abschneiden könnte, auch die freundliche Hilfsbereitschaft des Personals ist einmalig!

''Die Albulabahn, auch Albulalinie genannt, liegt im Schweizer Kanton Graubünden und verbindet Thusis (697 m ü. M.) am Hinterrhein mit dem Kurort St. Moritz (1'775 m ü. M.) im Engadin. Die 61,67 Kilometer lange Strecke, die mit ihren 144 Brücken mit einer Spannweite über zwei Metern und 42 Tunnels und Galerien zu den spektakulärsten Schmalspurbahnen der Welt gehört, ist Bestandteil des Streckennetzes der Rhätischen Bahn (RhB).''

15 Minuten Fahrstrecke davon durften wir genießen, durch Tunnels und die Schlucht der Albula, wobei ich ein etwas mulmiges Gefühl hatte, diese Strecke  zu fahren. Zwei Jahre zuvor war kurz vor Tiefencastel ein Zug verunglückt, dem ein Bergrutsch zum Verhängnis wurde, doch wir kamen sicher an unserem Etappenziel an, nachdem wir uns beim Schaffner über die weitere Verbindung versuchten zu informieren. Leider konnte der uns auch nicht richtig weiter helfen, als wir ihn fragten, wie lange der Aufenthalt in Tiefencastel sei. Er versuchte, per Handy die Zeiten des Busses heraus zu finden und war sichtlich enttäuscht, daß er uns nicht helfen konnte.

Wir stellten fest, daß wir 45 Minuten auf den Bus warten mußten, was bei den heutigen Temperaturen nicht wirklich spaßig war. Es war erstaunlich kühl draußen. In den Bergen auf 1200 Meter zwar nicht unnormal, aber nichts für leichter bekleidete Leute, die auf Schwitzen eingestellt sind.

Wir machten uns Gedanken über die Wanderung und ich erzählte einiges aus früheren Zeiten, bis wir auf die Idee kamen, eventuell eine Station früher auszusteigen und von Lantsch bis Lenzerheide durch einen Kiefernwald zu wandern, den ich Rainer gerne zeigen wollte.

Da ich nicht genau wußte, welche Haltestelle das sei, wollten wir den Busfahrer fragen.

Als die Linie 182 dann schließlich vorfuhr, stiegen wir ein und ich erklärte dem Fahrer - einem lustigen, gemütlichen, rundlichen  Schweizer - wir hätten eine Frage. Er schaute uns erstaunt an und meinte: ''nur EINE Frage??" und lachte übers ganze Gesicht.

Nachdem wir ihm unseren Wunsch vorgetragen hatten und wissen wollten, an welcher Station wir aussteigen müssten, erklärte er es uns und hatte auch sonst noch allerhand zu erzählen.

Während der kurzen Fahrt nach Lantsch, wo wir die dritte Möglichkeit nehmen mußten, erzählte und fragte er viel, so daß die kurze Fahrt sehr kurzweilig und lustig war. Rainer verstand nicht sehr viel vom Gespräch, da der Fahrer auf Schwizerdüütsch redete, aber der Sinn erschloß sich ihm durchaus auch.

Als wir dann ausstiegen,  verabschiedete der Fahrer uns sehr freundlich, wünschte uns einen schönen, erfolgreichen Tag und winkte uns noch einmal, als er weiter fuhr.

Ich kannte mich hier nun aus und führte. Ein paar hundert Meter mußten wir parallel der B3 bis zum Sportcentrum "Roland Arena c/o Biathlon Arena Lenzerheide AG" der Straße entlang gehen und sie dann überqueren.

Nun ging es leicht bergauf auf einem guten Weg in den lichten Wald hinein, der einen ganz besonderen Reiz hatte, da die Bäume sehr weit auseinander standen. Wir waren beide fasziniert und schauten uns oft um, auf der Suche nach Arven (auch Zirbelkiefer genannt) die es hier einst gab. Leider fanden wir keine, nur jede Menge Kiefern... Und ein Bachbett, das zwar trocken war, in dem aber sehr viel Geröll herum lag, das vom Lenzerhorn vor noch nicht allzu langer Zeit herunter gespült worden war.

Einige Zeit gruschtelten wir wie kleine Kinder hier im Bachbett herum auf der Suche nach interessanten Steinen.

Rainer fand auch tatsächlich einen sehr schönen, der uns beiden gefiel, einziges Manko: das Kieselchen hatte ein Ausmaß von 15x25 cm und wog geschätzte 3 Kilo (später fanden wir heraus, daß er doppelt so viel wog: 6 Kilo)

Was nun?

Spaßhalber sagte ich zu Rainer, er solle ihn halt einpacken und mitnehmen.

Er überlegte nur kurz, nahm ''Steini'' - wie das Felsstückchen kurzerhand getauft wurde - unter den Arm und trug ihn ans ''Ufer'', wo wir die Rucksäcke umpackten und Steini eingeladen wurde. Ich nahm sämtliche Lebensmittel an Bord, so daß das Steinchen in den anderen Rucksack passte.

Rainers Last war jetzt sehr schwer, doch der Stein mußte mit - und wurde von nun an 22 Kilometer ganz bequem durch Graubünden getragen.

Nun, es nieselte jetzt leicht, darum marschierten wir weiter nach Lenzerheide, um uns kurz im Dorf umzuschauen.

Rainer schleppte also Steini durch den Wald, vorbei am Campingplatz "St. Casian Lantsch/Lenz" und am Golfplatz, hinaus aus dem Wald und Richtung Lenzerheide - Lai.

Kurz nachdem wir aus dem Wald heraus waren und die Berge hier im Hochtal bestaunten, fiel mein Blick auf den Boden, wo ein 4-blättriges Kleeblatt stand, das ich vorsichtig pflückte.

Nun stapften wir weiter in die Ortschaft und ich zeigte Rainer ein paar Dinge in Lenzerheide. Da wir die Ortschaft sowieso durchqueren mußten, lag alles schön am Weg. Am Ende vom Ort bogen wir links ab  Richtung unserem eigentlichen Wanderweg und machten schnell im Volg-Markt Station, um nach einem Nußhörnchen zu suchen, Rainer hatte da jetzt Lust drauf. Wir fanden jedoch keins, so nahmen wir ein Stück Bündner Nußtorte  mit, welche wir vor der Türe gleich aßen. Dies ist eine Spezialität aus Graubünden, die zwar nicht jedermanns Sache ist, aber extrem lecker schmeckt und vor allem sehr nahrhaft ist.

Da es jetzt stärker regnete, zogen wir die Regenjacken an und stiefelten munter um 12:15 Uhr drauf los Richtung ''Alter Schin''

Es ging durch den Campingplatz "Gravas Lenzerheide", durch den einfach die Fahrstraße gebaut war und gleich danach rechts auf den Wanderweg, der gut ausgeschildert war, Richtung Vaz/Obervaz.

Der nun aufkommende Wind trieb uns den Regen hier vom Tal herauf entgegen, als wir an einer Kuhweide vorbei wanderten, doch nicht lange darauf kam plötzlich die Sonne heraus, so daß wir die Jacken wieder ausziehen konnten.

Leicht bergauf wanderten wir nun wieder durch einen kleinen Wald und trafen bald auf die steile Straße, welche von Sporz herunter ins Albulatal führte. Auf dieser ging es nun abwärts bis zur nächsten Ortschaft Zorten, in der der Wanderweg zwar ausgeschildert war, jedoch durch eine Baustelle versperrt wurde, so daß wir eine Umleitung gehen mußten.

Kurz verlor ich die Orientierung, da ich zwar erst vor zwei Jahren hier war, jedoch damals ebenfalls durch eine Baustelle einen anderen Weg suchen mußte.

Da klar war, daß wir immer abwärts mußten, nahmen wir einfach die steilste Straße, auf der wir kurz darauf schon im nächsten Dorf Lain Muldain landeten, von wo aus ich den Weg wieder wußte.

Auf dieser Straße blieben wir bis zum Ortsende und bogen dann links auf den neu gerichteten Wanderweg ab. Hier ging es einige hundert Meter fast eben und dann erneut links ab, auf den eigentlichen Alten Schin. Hier legten wir um Punkt 14 Uhr an einer Bank eine Vesperpause ein. Diesmal hatten wir sogar ALLES dabei: Brot, Eier, Tomaten, Wurst und Käse, Schokolade und Obst!

Nachdem wir eine tolle Aussicht genossen und uns gestärkt hatten, wanderten wir um 14:45 Uhr weiter, jetzt auf dem vor langer Zeit verkehrstechnisch wichtigen Weg - der einst die einzige Verbindung von Nordgraubünden ins Engadin und sehr gefährlich war - gen Tal. Das war der "Alte Schin" (Alte Schyn).

Eindrucksvoll lag die Albulaschlucht tief unter uns, ebenso eindrücklich ragten die Felswände teilweise wohl 100 Meter über uns auf. Ganz wohl ist es einem hier nicht, da überall Spuren von kürzlichen Steinschlägen zu finden sind, oft liegt abgebrochenes Gestein auf dem Weg und man hofft, daß nicht genau JETZT wieder ein Fels herunter bricht.

Tief unten die rauschende Albula, das Quietschen der Räder auf den Gleisen der Schmalspurbahn, die über Brücken und durch Tunnels in vielen Kurven rauscht und die Motorengeräusche der Fahrzeuge auf der Straße neben der Bahn, über uns die hohen, brüchigen Felsmassen und wir mittendrin auf diesem Weg, der sich immer am Berg entlang windet und auf dem man von Lenzerheide bis Thusis 900 Höhenmeter zurück legt.

Der Weg ist zwischendurch in Fels gehauen, es gab einst mehrere Tunnels, aber ich hatte 3 in Erinnerung, wir durchwanderten jedoch nur 1. Scheinbar war irgendwann einmal aufgrund eines Felssturzes ein Teil des Weges abgebrochen und somz´t auch die Tunnels den Berg hinunter gefallen.

Die Sonne schien mittlerweile warm und Rainer trug Steini ins Tal. Unterwegs fand ich noch einmal ein 4-blättriges Kleeblatt, über das ich mich riesig freute.

Nun stieg der Weg wieder ein wenig an, nachdem wir eine Furt durchquert hatten. Weiter ging es dann durch einen Fichtenwald, Immer bergab. Rainers Last ''Steini'' wurde zunehmend schwerer und machte ihm allmählich zu schaffen, da das Gewicht doch sehr auf die Schultern drückte.

Wir stiegen langsam immer weiter ab ins Tal, bis wir auf einen breiten Weg stießen, Hier gab es einen Rastplatz, an dem wir ein paar Minuten ausruhten, Aber bald weiter gingen.

Kurz mußten wir auf dem breiten Weg bleiben, Dann zweigte ein schmaler, sehr steiler Pfad nach links ab, an dessen Ende man plötzlich vor einer Ortschaft mit 5 Häusern stand. Zumindest sah man vom Weg aus nur 5 Häuser.

Ein Stück ging es jetzt hier über eine asphaltierter Straße, bevor man erneut einen steilen Trampelpfad durch einen Wald nahm, Der endlich unten an der Albula am E-Werk endete.

Hier mußten wir jetzt auf Asphalt gehen, erst quer durchs E-Werk, dann weiter in die Ortschaft Sils im Domleschg und ebenfalls einmal quer durch. Nun waren es noch knapp zwei Kilometer bis zum Campingplatz, doch diese Strecke fiel uns schwer. Die Füße schmerzten, Rainer hatte Probleme mit den Schultern durch das Gewicht von Steini und der Asphalt war unangenehm zu gehen, weil er so hart war.

Doch dann kam die Unterführung unter der Autobahn hindurch und gleich danach der Holzsteg über den Rhein. Müde schwanken wir darüber und waren nun buchstäblich auf der Zielgeraden.

Die Füße wollten kaum noch tragen, als wir um 18:00 Uhr nach etwas mehr als 22 Kilometern am Wohnmobil ankamen und die Rucksäcke absetzten.

Nach einer kurzen Pause zogen wir andere Schuhe an und schlappten im wahrsten Sinne des Wortes nochmal nach Thusis zum Einkaufen. Kaum wollten uns die schweren Beine tragen und als wir endlich wieder am Platz waren, waren wir stolz, müde und machten einen wohlverdienten Kaffee und ruhten erst einmal aus. Später zauberte Rainer einen Gemüseauflauf und wir saßen noch lange im Zelt, im Wissen,  Morgen ausschlafen zu können.

 

Strecke mit Bahn und Bus: 18 Kilometer

Strecke zu Fuß: 22 Kilometer

Zeit gesamt: ca 9 Std

 

Strecke:  Thusis - Tiefencastel - Lantsch/Lenz - Lenzerheide - Zorten - Lain-Muldain - alter Schin - Raschil - Sils im Domleschg - Thusis

 

 

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